Samstag, 8. Juni 2013
Totenstimme
Sie Stand dort auf dem kleinen Berg. Kalt, weiß und einsam. Als gehöre sie dort hin. Auf den kohlrabenschwarzen Berg und den Friedhof der ihn umgab. Es schien, als wäre dieser Ort nur für sie erschaffen worden. Lange stand sie reglos da. Schweigend auf die endlosen Reien der Grabsteine hinunterblickend. Als die Dämmerung Jahre und der Himmel erst in ein Meer aus Rot- und Blautönen wurde, die sich schwungvoll ineinander mischten und dann allmählich immer dunkler und grauer wurde ließ sie sich auf dem rauen, schwarzen Boden nieder. Ihr Kleid viel in leuchten Erhöhungen und Vertiefungen um sie herum. Gerade so, als wollte es einen Schutzwall aus Stoff um sie herum zu beschützen.
Und dann fing sie an zu singen. Mit der Stimme, die nie jemand wahrhaftiges gehört hatte. Klar und wunderschön flossen all die lieblichen Töne aus ihr heraus und verbreiteten sich über die weite Ebene. Es war als hielte die ganze Welt den Atem an und lauschte ihrer Stimme.
Sie begann zögernd und leise mit ihrem melodischen Lied. Es war merkwürdig betäubend ihr dabei zuzuhören. Mit der Zeit verschwand der Tag und ihre Stimme wurde immer lauter und fester. Bald saß sie im einer fast ganz und gar schwarzen Nacht und sang. Laut und eindringlich war ihre Stimme geworden. Fordernd. Sie sang. So lange, bis sich unter ihr vor den Grabsteinen auf der kalten Erde Risse zeigten.

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